Flugverspätung: Türöffnen steht für den Zeitpunkt der tatsächlichen Ankunft

EuGH 4.9.2014, C-452/13

Die tatsächliche Ankunftszeit eines Fluges steht für den Zeitpunkt, zu dem mindestens eine der Flugzeugtüren geöffnet wird. Erst zu diesem Zeitpunkt kann nämlich das Ausmaß der Verspätung im Hinblick auf eine etwaige Entschädigung bestimmt werden.

Der Sachverhalt:
Das fragliche Flugzeug war in Salzburg mit einer Verspätung von 3:10 Stunden gestartet und setzte mit einer Verspätung von 2:58 Stunden auf der Landebahn des Flughafens Köln/Bonn auf. Als es seine Parkposition erreicht hatte, betrug die Verspätung 3:03 Stunden. Die Flugzeugtüren wurden kurz darauf geöffnet.

Einer der Passagiere machte daraufhin geltend, das Endziel sei mit einer Verspätung von über drei Stunden gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit erreicht worden. Unter Hinweis auf ein früheres EuGH-Urteil vom 19.11.2009 (Rs.: C-402/07 u.a.) forderte er eine Ausgleichszahlung i.H.v. 250 €. Germanwings vertrat hingegen die Auffassung, dass die tatsächliche Ankunftszeit der Zeitpunkt sei, zu dem die Räder des Flugzeugs die Landebahn des Flughafens Köln/Bonn berührt hätten, so dass die Verspätung gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit nur 2:58 Stunden betrage und somit kein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung bestehe.

Das mit dem Rechtsstreit zwischen dem Passagier und Germanwings befasste österreichische Gericht legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, für welchen Zeitpunkt die tatsächliche Ankunftszeit des Flugzeugs steht. Das EuGH hat diese Frage nun beantwortet.

Die Gründe:
Der Begriff \“tatsächliche Ankunftszeit\“ kann nicht vertraglich definiert werden, sondern muss autonom und einheitlich ausgelegt werden.

Die Fluggäste müssen sich während des Fluges nach Weisungen und unter der Kontrolle des Luftfahrtunternehmens in einem geschlossenen Raum aufhalten, in dem ihre Möglichkeiten, mit der Außenwelt zu kommunizieren, aus technischen und aus Sicherheitsgründen erheblich beschränkt sind. Unter solchen Umständen können sich die Fluggäste nicht weiter um ihre persönlichen, familiären, sozialen oder beruflichen Angelegenheiten kümmern. Solange der Flug die planmäßige Dauer nicht überschreitet, sind solche Unannehmlichkeiten auch als unumgänglich anzusehen. Dies gilt jedoch u.a. deshalb nicht für eine Verspätung, weil die Passagiere die \“verlorene Zeit\“ nicht für die Ziele verwenden können, die sie dazu veranlasst haben, genau diesen Flug zu nehmen.

Infolgedessen ist der Begriff \“tatsächliche Ankunftszeit\“ dahin zu verstehen, dass er für den Zeitpunkt steht, zu dem eine solche einschränkende Situation endet. Die Situation der Fluggäste ändert sich aber grundsätzlich nicht wesentlich, wenn die Räder des Flugzeugs die Landebahn berühren oder das Flugzeug seine Parkposition erreicht, da die Fluggäste weiterhin in dem geschlossenen Raum, in dem sie sich befinden, verschiedenen Einschränkungen unterliegen. Erst wenn den Fluggästen das Verlassen des Flugzeugs gestattet ist und dafür das Öffnen der Flugzeugtüren angeordnet wird, sind sie diesen Einschränkungen nicht mehr ausgesetzt und können sich grundsätzlich wieder in gewohnter Weise betätigen.

Infolgedessen lässt sich feststellen, dass der Begriff \“Ankunftszeit\“, der verwendet wird, um das Ausmaß der Fluggästen entstandenen Verspätung zu bestimmen, für den Zeitpunkt steht, zu dem mindestens eine der Flugzeugtüren geöffnet wird, sofern den Fluggästen in diesem Moment das Verlassen des Flugzeugs gestattet ist.

Quelle: EuGH PM v. 4.9.2014

Rechtsanwalt in Detmold

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